Geoquest – Balkanreise 2025
Wie fast jedes Jahr war das Geoquestmobil auch 2025 wieder auf dem Balkan. Diesmal erreichte uns der Ruf aus dem Kosovo, wo die dortigen Kletterer sich über Unterstützung im Schaffen neuer Kletterrouten freuen. Initiator war diesmal Ralf Gentsch, mit dem (und zahlreichen anderen) wir 2008 den Klettergarten in Gusinje (Montenegro) realisiert haben. Damals kamen auch drei Kletterer aus dem nahegelegenen Kosovo zur Unterstützung nach Gusinje: Vyrtyt, Haki und Noli. Später haben diese drei dann mit ihrem Kletterclub Marimangat in ihrer Heimatstadt Peja (viertgrößte Stadt des Kosovo) ganz Außergewöhnliches geleistet: mehrere spektakuläre Klettersteige wurden geschaffen, die sich dort durch die Rugova-Schlucht ziehen und Touristen aus der ganzen Welt anlocken. Denn Via Ferratas durch Felswände, über schaukelnde Brücken und mitten in der Felswand durch Höhlen hindurch – das ist schon etwas Besonderes und spricht sich in Klettersteigkreisen schnell herum.

Am Einstieg unseres Klettersektors Bazeni gibt es eine bequeme Picknickbank und Ralf findet eine der zahlreichen albanischen Fahnen, die hier auf jedem Gipfel platziert sind. Foto: Nadin Dorn
Das unbekannte Land
Eine langsame, entspannte dreitägige Anfahrt mit Zwischenkletterstopps in Österreich (Maltatal) und Serbien (Nis) bringt uns in den quirligen Kosovo. Ich war noch nie in diesem Land. Im Transit hatte ich es bis dato vermieden, da man bisher auf der Durchreise eine extra Autoversicherung (einst für 30 €] abschließen musste. Das ist nun vorbei, man füllt nur einen Zettel aus und kann ohne Probleme einreisen. Für Deutsche genügt theoretisch sogar der Personalausweis, da wir aber über Serbien gekommen sind, haben wir ohnehin den Reisepass dabei. Ich wusste vorher nicht viel über das Land und musste mich erst mal im Internet schlau machen. Im Kosovo leben überwiegend Albaner, es gibt aber auch eine bedeutende serbische Minderheit. 1998/99 gab es einen blutigen Krieg zwischen diesen Volksgruppen. Die Albaner hatten eine Untergrundarmee (UÇK) gegründet und kämpften mit Unterstützung westlicher Geheimdienste für Unabhängigkeit. Die Serben unter Milosevic ließen das nicht zu und bekämpften die UÇK mit Hilfe der jugoslawischen Bundesarmee. Es kam zu Gräueltaten und Vertreibungen auf beiden Seiten. Die Serben brannten schließlich albanische Siedlungen nieder und begannen mit großflächigen Vertreibungen. Nun schritt die NATO ein und bombardierte Serbien (auch Belgrad) um Milosevic zu zwingen, seine Truppen zurückzuziehen. Das gelang im Juni 1999. Daraufhin wurde der Kosovo unter UN-Verwaltung gestellt (die berühmte UN-Resolution 1244, die bis heute gilt) und eine internationale Mission (KFOR) übernahm die militärische Kontrolle. Nun flüchteten viele Serben aus dem Kosovo. 2008 verkündeten die Politiker des Kosovo die Unabhängigkeit des Landes, welche inzwischen von 118 Staaten (von 193) anerkannt wird. Einige wichtige EU-Staaten (Spanien, Griechenland) erkennen die Unabhängigkeit nicht an, da sie im eigenen Land separatistische Tendenzen haben und deren Bestärkung fürchten. Serbien, Russland und China erkennen sie ebensowenig an. Somit ist der Status des Kosovo (1,8 Mio Einwohner) zwar bis heute nicht endgültig geklärt, de facto stellt sich dem Reisenden das Land als eigenständiger Staat dar. Währung ist übrigens der Euro, was überaus praktisch ist, da man weder umrechnen noch umtauschen muss. Der Sprit kostet nur etwas über einem Euro, das freut den sparsamen Automobilisten. Der Verkehr hingegegen ist sehr dicht, das ganze Land scheint unterwegs zu sein.
Am Fuße der Verzauberten Berge
Nach der Ankunft in Peja, der viertgrößten Gemeinde Kosovos, treffen wir Ralf und Nadin (die mit dem Flugzeug angereist sind und ein überaus schönes und preiswertes Apartment für uns alle organisiert haben) und machen uns mit der Situation vertraut. Die Stadt liegt malerisch am Fuße der „Verzauberten Berge“, welche Gipfelhöhen bis 2500 Meter aufweisen und im Dreiländereck zu Montenegro und Albanien liegen. Aus dem Stadtzentrum kann man zu Fuß an einem Tag Gipfel bis 2400 Meter Höhe erwandern oder auch die Klettersektoren in der Rugovaschlucht erreichen. Das gute Wasser der Region dient einem Mineralwasserhersteller als Basis und – weit wichtiger – ist die Grundlage eines ganz ausgezeichneten Bieres, das sowohl im Kosovo als auch in Albanien sehr geschätzt wird.
Auswahl des Arbeitsgebietes
Unser kosovarischer Freund Virtyt, welcher inzwischen Chef des örtlichen Tourismusbüros ist, führt uns durch die Schlucht und zeigt uns alle Spots, an denen bereits geklettert wurde. Diese sind weit verstreut und unsere Augen wandern rechts und links hinauf und sehen unzählige tolle Wände, die offensichtlich alle darauf warten, geklettert zu werden. Wir entscheiden uns für einen ersten Pfeiler und ich bohre eine Route ein. Diese (ca. 6b) macht zwar Spaß, allerdings stellt sich das Gestein als recht brüchig heraus, so dass wir unseren weiteren Aktivitäten an einem anderen Sektor fortzusetzen gedenken

Überall in und um die Rugovaschlucht gibt es interessante Felswände. Hier sind wir unweit der montenegrinischen Grenze.
Dies tun wir auch am Folgetag, wir wählen den Sektor Bazeni, welcher der Stadt am nächsten gelegen ist (40 min vom Stadtzentrum zu Fuß) und eine attraktive Höhle beinhaltet, bereits mit 5 Routen ausgestattet ist und verschiedene Wandneigungen aufweist. Hier sind wir nun die folgenden 9 Tage (mit Unterbrechung am Ruhetag) aktiv. Mit Unterstützung der jungen Mitglieder des Kletterclubs Marimangat räumen wir zunächst den zahlreichen Müll im Wandfußbereich weg, installieren erste Umlenkhaken, beräumen losen Fels, putzen und bohren schließlich die Zwischenhaken für die projektierten Linien ein. Jeden Tag werden ein bis zwei Kletterwege fertig, so dass der Sektor am Ende 19 Routen hat. Er ist nun ein lohnendes Kletterziel mit anfängerfreundlichen Routen ab dem Grad 2 bis hin zur überhängenden Sehenkillerroute von Ralf die schon eine straffe 7b+ darstellt.
Ralf Gentsch bei der ersten Begehung von Last Game – all in 7b+.
Peja – Ausgangsbasis für Klettern, Wandern und Via Ferratas
Die Stadt Peja erweist sich als kleine Perle amFluss mit sehenswerter alter Moschee und einem wichtigen Kloster der serbischen Orthodoxie. Direkt am Fluss gibt es das Restaurant der Bergsteiger- und Kletterszene „7 Summits“, dessen Besitzer und seine Tochter tatsächlich alle 7 summits einschließlich des Everst bestiegen haben und ihre Daunenanzüge, Eispickel und Gipfelfotos darin ausstellen.
Zufällig findet parallel zu unserem Aufenthaltin Peja die Generalversammlung der UIAA statt, der weltweiten Vereinigung aller Bergsteigerorganisationen. Die Organisatoren sind froh, unseren neu eingerichteten Klettersektor für ihre Workshops nutzen zu können.
Am Abschlusstag stellt uns das Tourismusbüro dankenswerterweise Klettersteigsets zur Verfügung und wir begehen die Via Ferratas im vorderen Teil der Schlucht. Ich persönlich muss gestehen, dass ich noch nie einen Klettersteig bergauf mit Ausrüstung gemacht habe. Ich bin schon zahlreiche Klettersteige gegangen, aber nie absichtlich, sondern immer nur nach einer Mehrseillängenroute als Abstieg. Es ist also eine neue Erfahrung für mich und ich bin angenehm überrascht, wie erlebnisreich der Eisenweg hier im Rugova-Canyon ist. Absolut empfehlenswert!
Kosovo to go
Der Kosovo stellt sich nun auch als ein lohnendes Etappenziel für Klettereisende dar, die auf ihrem Weg in den Süden (Stichwort Leonidio/Griechenland) eine schönen Zwischenhalt mit Übernachtung planen. Vor allem sind die Leute hier überaus zuvorkommend, aufmerksam und nett. Jeder, den ich anspreche, kann Englisch, viele sogar auch Deutsch. Das liegt daran, dass viele Kosovaren früher nach Deutschland, Österreich oder die Schweiz ausgewandert waren, da die wirtschaftliche und politische Lage zu Hause so unsicher war. Inzwischen hat sich das geändert, der Boom im Land ist unübersehbar. Überall wird gebaut, Hochhäuser, Fabriken, Autobahnen – es geht spürbar bergauf. Zahlreiche Kosovaren kommen nun in ihr Land zurück – Heimat ist eben Heimat! Im Wald treffen wir zwei Brüder, die gerade das Feuerholz für den Winter vorbereiten. Beide sprechen fließend Deutsch, der eine war sogar viele Jahre in meiner Heimatstadt Halle (Saale) und weiß nur Gutes aus dieser Zeit zu berichten. Aber nun sind beide zurück, haben ein wunderbares Guesthouse gebaut und fühlen sich wohl hier. Ein Blick in die Runde mit den schönen, schon schneebedeckten Berggipfeln macht uns klar, was sie meinen.
Topo





























